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Konzept
Der lateinische Begriff "schola" (sprich: skóla) bezeichnet zunächst vordergründig die
Schule. Eigentlich reicht er weiter: schola bezeichnet den Unterricht, besser:
die Unterrichtung, die weiter greift, als Fachwissen zu vermitteln, wie "Bildung" ja auch
nicht mit "Wissen" oder "Information" zu verwechseln ist.
Schola ist ein Stück weit Lebensschule, Lebensschulung. So versteht sich auch
Schola Latina.
Der Lehrende dieser Lebensschule ist nicht der Sprachlehrer, vielmehr sind es die Autoren
der alten Texte, mit denen die Kurse arbeiten.
Eine Sprache zu erlernen ist in den wenigsten Fällen Selbstzweck. Immer steht dahinter
das Bedürfnis oder zumindest der Wunsch, sich anderen verständlich zu machen und/oder
andere zu verstehen. Wer alte Sprachen lernt, will (in den meisten Fällen) zugleich alte
Texte lesen und verstehen lernen. Dieser Bezug - nämlich zu den Texten - darf im
Sprachunterricht nie fehlen. Natürlich muss ein Grundstock an Kenntnissen zunächst
vermittelt werden, bevor originale Texte gelesen werden können. Jedoch wird bei S. L.
so früh wie nur irgend möglich begonnen, in den Quellen selbst zu lesen.
Zunächst scheint das widersinnig: zu viel neues, nicht gelerntes begegnet in solchen
Texten. Den Impuls, wie ein früher Einstieg in Originaltexte funktioniert, gab ein
Lehrbuch für Deutsch als Fremdsprache, "Berliner Platz". Zum Ende einer jeden Lektion
wird, ohne es zu erklären, ein sprachliches Phänomen am Beispiel vorgestellt und
angewandt. Im Griechischunterricht kann dann sehr früh - im Anfängerunterricht bereits -
ein Text gelesen werden. Die Erklärung wird auf Fragmente reduziert: "Das ist der Aorist,
eine gramm. Zeit, die wir noch nicht kennen. Übersetzen Sie sie doch zunächst einfach
mit dem deutschen Imperfekt! Das Verb ist 'lego' Also..", "...Ja! Und es sprach zu ihnen
Jesus: ...". So lernt ein Kind die Muttersprache sprechen; so können auch Teile des
Originaltextes direkt aus der Bibelausgabe gelesen werden. Zum einen ist es eine
deutliche Motivation, wenn Lernende schon ganz früh direkt aus dem Text (also aus dem
Buch, in dem kein deutsches Wort steht!), und nicht von einem Arbeitsblatt übersetzen.
Ferner ist der Aorist, wenn er dann systematisch (nach Lehrbuch) gelernt wird, nicht
mehr neu, - und in Ansätzen auch schon verstanden. Der Aorist wird dann mit deutlich
weniger Aufwand gelernt.
Zunächst scheint es aber zwei Gründe zu geben, die den Nutzen, eine alte Sprache
überhaupt zu beherrschen, in Frage stellen: es scheint zunächst fraglich, ob alte Texte
überhaupt etwas aussagen, was für uns Menschen der heutigen Zeit von Interesse wäre.
Ferner sind ja auch die meisten Texte bereits ins Deutsche übersetzt, und von daher
bräuchte man sich die Mühe gar nicht zu machen, die Texte im Original zu lesen.
Gegen beide Einwände finden sich Argumente:
1. Aktualität
Dass die Themen der alten Texte gerade heute wieder aktuell sind, möchte ich an einem
Beispiel belegen.
In der Schrift "De brevitate vitae" setzt sich der stoische Philosoph Seneca mit einem
Phänomen auch dieser Zeit auseinander. Im ersten Jahrhundert nach Christus waren
zahlreiche Römer damit befasst, für ihre gesellschaftliche und politische (heute wäre
es die berufliche) Karriere zu arbeiten. Das ist durchaus gut und auch sinnvoll,
solange das eigentliche Leben nicht darunter leidet. Nehmen Arbeit, Schmeichelei und
politischer / beruflicher Druck über Maß zu, dann geht den "occupati", den mit allem
"beschäftigten" Menschen das größte Gut, was sie besitzen, verloren: ihre eigene Zeit.
Während sie sich um Geld geizig zeigen und niemandem, der sie darum bittet, auch nur
ein wenig davon abgeben, verschleudern sie die Zeit ihrer besten Jahre um der
Bedürfnisse anderer willen; sie leben immer nur auf die Zukunft hin, wobei ungewiss
ist, ob sie überhaupt eine Zukunft haben, und verschenken die Zeit ihrer Gegenwart,
die, wenn sie einmal Vergangenheit geworden ist, ihnen nicht mehr genommen werden
könnte. Ist die Zeit des Lebens kurz? - Nein, sie ist lang genug, um sich Ruhm zu
verschaffen (wie Achill in seinem an Jahren kurzen Leben) und um ein gelungenes,
glückliches Leben zu führen. Verschenkt man jedoch leichtfertig seine Zeit, so würde
auch ein an Jahren doppelt bemessenes Leben nicht ausreichen, um zu "gelingen".
Das ist nur ein Beispiel unter vielen. Wenn es um die Frage geht, wonach das Leben
auszurichten ist, wie ein Leben gelingen kann, wer der Mensch, was die Welt und wer
Gott ist, bieten die Philosophen und Theologen, Geschichts- und Geschichtenschreiber
der Antike und auch des Mittelalters Antworten. Bei allem, was uns von ihnen
historisch, soziologisch und in Bezug auf die Wahrnehmung der Welt trennt, ist uns
eines gemein: das Mensch-sein. Und so können wir von deren Lebenserfahrung lernen.
2. Übersetzungen
Einen Text in einer anderen Sprache zu lesen heißt nicht, ihn zu übersetzen.
Das ist die Grundaussage, die am Anfang steht, wenn man Latein, Griechisch oder
Hebräisch lernt. Liest man einen Text, dann geht es darum, ihn zu verstehen. Bei der
Übersetzung geht es darum, den Text anderen, die die Sprache nicht verstehen,
mitzuteilen. Ist das eine nicht wie das andere? Es scheint so. Die Grundübung, die das
Lesen übt, ist ja gerade die Übersetzung. So ist (natürlich auch bei S. L. ) die
klasische Arbeitsanweisung im Unterricht: "Übersetzen Sie doch bitte einmal die
Verse!" Eine erste Rohübersetzung, die so nie schriftlich festgehalten würde, würde
etwa lauten: "Also... und es gingen hinaus die Pharisäer und fingen an, zu streiten
mit ihm; fordernd von ihm ein Zeichen des Himmels, prüften (oder versuchten, oder
lernten ihn kennen) sie ihn." Nach einem solchen ersten Versuch besteht oft der
Eindruck, der Satz sei bereits verstanden worden. Dennoch muss er weiter erarbeitet
werden, bis eine "druckreife" Übersetzung geleistet wird: "Und die Pharisäer gingen
hinaus und begannen, mit ihm zu streiten; sie stellten ihn auf die Probe, indem sie
ein Zeichen vom Himmel von ihm forderten." Der erste Schritt ist eine nahezu
Wort-für-Wort-Übersetzung, die Leute, die das Griechische beherrschen, durchaus
verstehen. Es ist aber kein Satz der gebräuchlichen deutschen Sprache, sondern der
einer Metasprache, die vom deutschen Muttersprachler schwerlich verstanden wird. Die
eigentliche Übersetzungsarbeit beginnt bei der Übertragung von der Metasprache in
das Deutsche. Und erst hier ergeben sich auch Übersetzungs"schwierigkeiten".
Denn es gibt zahllose Varianten, den Satz der Metasprache in's Deutsche zu übersetzen.
Andere Möglichkeiten: "Die Pharisäer aber kamen heraus zu ihm und fingen ein
Streitgespräch an, versuchten ihn und forderten ein Zeichen vom Himmel.";
"Da kamen die Pharisäer und begannen ein Streitgespräch mit ihm; sie forderten von
ihm ein Zeichen vom Himmel, um ihn auf die Probe zu stellen." (Einheitsübersetzung
1979); "Und die Pharisäer kamen heraus und fingen an, mit ihm zu streiten, versuchten
ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel" (Luther-Revision 1984). Den ersten
Schritt (das Lesen und Verstehen) vollziehen alle Übersetzer gleich; die Kunst des
Übersetzens ist es, die möglichen Ausdeutungen abzuwägen und in eine sprachlich
angemessene Form zu bringen. Und hier geht nicht allein der vorliegende Text in die
Übersetzung ein, sondern auch die persönliche Auffassung durch den Übersetzer.
Fremdsprachliche Wörter, die im Deutschen mehrere Bedeutungen haben, müssen übertragen
werden. In unserem Text: peirazo bedeutet versuchen, unternehmen, sich bemühen,
versuchen, erproben, prüfen, untersuchen, sich versuchen in..., jemanden in Versuchung
führen, aus Erfahrung kennenlernen, erfahren. Zu entscheiden, ob die Pharisäer Jesus
kennenlernen oder ob sie ihn auf die Probe stellen / prüfen oder ob sie ihn versuchen
(also sein Scheitern provozieren) wollten, dies zu entscheiden ist Sache des
Übersetzers. Wer den griechischen Text liest, liest peirazo, ein Wort, das für alle
Varianten offen ist.
Verschiedene Übersetzungen sind also schwerlich verschieden "gut"; sie sind
(wenn grobe Übersetzungsfehler vermieden wurden) immer nur gut vor einem bestimmten
Verstehenshorizont oder für einen bestimmten Zweck (Bibel: liturgischer Gebrauch,
Studium, geistliche Lesung, ...).
Es zeigt sich also deutlich, dass Texte nicht "übersetzbar" sind. In dem Moment, wo
peirazo mit "auf die Probe stellen" übersetzt wird (und man muss sich ja für eine
Übertragung zwangsläufig entscheiden!), gehen alle anderen Möglichkeiten der
Ausdeutung verloren.
Deshalb ist zwangsläufig jede Übersetzung ein vorläufiger Versuch, uns die alten Texte
näher zu bringen. Im eigentlichen Sinn kann man die "Bibel" ALS BIBEL nur in DEN
Sprachen lesen, in denen sie verfasst ist: Hebräisch und Griechisch. Und deshalb
kommt kein Theologe darum herum, zumindest ansatzweise, diese Sprachen auch zu
lernen.
3. Identifikation
Ein weiterer Aspekt, der zumeist übersehen wird, macht das Erlernen einer Sprache
bedeutsam für den Umgang mit alter Literatur. Es ist die einfache Lebensweisheit,
dass das, was ich mir hart erarbeiten muss, deutlich mehr bedeutet, als das, was mir
geschenkt wird. Wer eine Sprache erlernt, der muss Vokabeln und Grammatik pauken, der
muss sich ein Stück weit vor anderen Kursteilnehmern und vor dem Lehrer, vor allem vor
sich selbst, prüfen - damit auch in Frage stellen - lassen. Lernen macht Spaß! Leistung
bringt Freude! Ich versuche, sie immer davon abzuhalten, aber: meine
Kursteilnehmer-/innen nehmen oft genug ihre Vokabelkarten mit in den Urlaub!
Mit dem Ergebnis der Mühen identifiziert man sich dann auch gerne.
Wer Sprachen lernt, wer sich darum auch mit den Texten beschäftigt, lernt so
automatisch die Texte auch kennen. Es findet nicht nur eine Identifikation mit der
Sprache, sondern auch mit den Texten statt. Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der
einen griechischen Sprachkurs belegt, mehr vom Neuen Testament für sich mitnimmt, als
jemand, der keinen Bibelkreis auslässt.
Die Verbundenheit mit der Sprache - so meine Beobachtung während meines Studiums in
Bonn - war der beste Garant für das Verständnis der Texte. Wenn auch bei den
biblischen Seminaren im Unterrichtsgespräch mit den deutschen Übersetzungen gearbeitet
wurde, so merkte man doch, dass die Kommilitonen, die die Sprache ein Stück weit
beherrschen lernten, auch die Texte besser verstehen, auslegen und vermitteln
konnten.
4. Die Persönliche Ansprache
Dass man als Lehrender den Lernenden stets mit nicht oberflächlicher Freundlichkeit
begegnet ist selbstverständlich. Dahinter steht die Überzeugung, dass man nicht ein
"Produkt" verkauft, das durch das Vermitteln von Lehrinhalten definiert ist, sondern
dass Unterricht immer auch Kommunikation ist. Bei S. L. begegnen sich Menschen, die
gemeinsam an einem Ziel arbeiten.
5. Freude
Die Freude an der Arbeit ist wohl die wichtigste Aufgabe, die S. L. zu leisten hat.
Zum einen ist natürlich die Freude des Lernenden gemeint; das kann aber nur gelingen,
wenn der Lehrende selber Freude an seiner Arbeit hat und die Erfolge des Teilnehmenden
auch ein Stück weit als eigene Erfolge versteht.
6. Arbeit in Kleingruppen in schönen Räumen
Sprachunterricht ist immer ein kommunikatives Geschehen. Deshalb dürfen die Gruppen
nicht zu groß sein. Kurse mit 20 oder mehr Teilnehmern gibt es bei S. L. nicht.
Die maximale Teilnehmerzahl liegt bei 6. So ist ein guter Austausch zwischen den
Teilnehmern untereinander und dem Kursleiter gewährleistet; so kann sich jeder
Teilnehmer oft genug im Unterricht einbringen, der Kursleiter kann persönlich auf alle
Fragen eingehen.
Die Kurse finden in verschiedenen Räumen statt. Die Unterrichtsräume sollen eine
Situation schaffen, in der man sich wohlfühlt. Ein heller, großer Unterrichtsraum
sollte mit dazu beitragen, dass der Unterricht ein gutes Erlebnis wird: Unterricht
in Wohlfühl-Räumen. (Die Hamburger Kurse finden zur Zeit im Bibliotheksraum des
Dominikanerklosters, also inmitten von alten und neuen Büchern statt).
Die Unterrichtszeit beträgt 2 Unterrichtsstunden (1 Stunde 30 Minuten) einmal in der
Woche. Auf Wunsch richte ich gerne Intensivkurse ein (2x in der Woche 90 Minuten),
allerdings nur für Leute, die auch die nötige Zeit zum Lernen mitbringen.
Zur Zeit ist die Kursgebühr mit 15,- Euro für die Unterrichtsstunde im
Kleingruppenkurs sehr niedrig angesetzt.
jpb
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